Vortrag über Koreaner in Japan
1. Koreaner in Japan - ein Beitrag zum Verhältnis von Japan und Korea
1986 beschrieb der Expremierminister Nakasone Japan als homogene Gesellschaft. Dies ist eine weit verbreitete Auffassung, die nicht nur von wenigen konservativen japanischen Politikern aufrecht erhalten wird.
Von den etwa 125 Mio. Bewohnern der japanischen Inseln gehören ca. 5% diskriminierten Minderheiten an. Etwa 3 Mio. Burakumin, die Bewohner Okinawas mit ungefähr 1 Mio., knapp 700.000 in der zweiten bis vierten Generation in Japan ansässige Koreaner, zwischen 25.000 und 50.000 Ainu und etwa 50.000 Chniesen, die zumeist aus Taiwan stammen.
Die einzelnen Minderheiten sind unterschiedlich in Japan verteilt. Etwa 40% der Burakumin und fast die Hälfte der Koreaner siedeln in der Region Kinki bzw. Kansai.
Ich werde einige Aspekte der Problematik von Koreaner in Japan anschneiden, z.B. der historische Hintergrund für die Existenz dieser Minderheit, die koreanischen Organisationen in Japan, die rechtliche Stellung der Koreaner und die Lebenssituation der Koreaner.
2. Der historische Hintergrund
Korea hat schon seit Frühzeiten maßgeblich zur Entwicklung Japans beigetragen und viele mittlerweile ureigene japanische Kulturgüter, wie z.B. den Buddhismus, nach Japan exportiert. Die Anfänge der gegenwärtigen koreanischen Minderheit liegt aber in diesem Jahrhundert.
1910 wurde Korea als zweite japanische Kolonie anektiert. Von da an wurden Japaner auf koreanischem Boden angesiedelt, wobei die vertriebenen Koreaner als billige Arbeitskräfte nach Japan kamen, wo sie als Tagelöhner in der Industrie, im Baugewerbe und im Bergbau eingesetzt wurden.
Im Jahre der Annexion lebten in Japan gerade einmal 790 Koreaner, die meisten davon Studenten. 1920 war die Zahl auf etwa 40.000 angewachsen und 1930 auf etwa 400.000, aufgrund der zunehmenden Ausbeutung Koreas als Wirtschaftskolonie. Die eingewanderten Koreaner waren meist zwischen 20 und 30 Jahre alt, entstammten zu 80% aus verarmten und vertriebenen Bauernfamilien im südlichen Korea und siedelten zumeist im Kinkigebiet.
Aufgrund der japanischen Mobilmachung im zweiten Weltkrieg und des daraus resultierenden Arbeitskräftemangels erhöhte sich die Zahl der Koreaner in Japan auf 1. Mio. im Jahre 1939 und gegen Kriegsende hielten sich etwa 2,4 Mio. Koreaner in Japan auf.
Bis April 1946 waren bereits 1,7 Mio. nach Korea zurückgekehrt, doch ebbte diese Welle langsam ab, da viele keine wirtschaftliche Grundlage mehr in Korea hatten und die chaotischen Verhältnisse auf der koreanischen Halbinsel viele abschreckte. Die meisten der heute in Japan lebenden Koreaner sind aber Nachkommen derer, die schon vor dem 2. Weltkrieg mit Familie und Verwandten nach Japan kamen, um Arbeit zu suchen.
3. Die koreanischen Organisationen in Japan
Schon im Oktober 1945 entstand die Liga der Koreaner in Japan, kurz Choren, die eher links orientiert war. Deshalb spaltete sich ein Jahr später die Union der koreanischen Residenten in Japan, die Mindan als südkoreanischer Ableger von ihr ab.
Die Choren wurde 1955 als Soren neu gegründet und lehnte sich stark an Nordkorea an. Zwischen 1959 und 1967 wurden etwa 100.00 Koreaner unter Ihrer Obhut nach Nordkorea repatriiert. Darüber hinaus unterhält die Soren viele Bildungseinrichtungen in Japan.
Neben diesen beiden eher auf die beiden koreanischen Staaten konzentrierten Exilorganisation existiert als dritte bedeutende Bewegung der Mintohren, der nationale Rat für die Bekämpfung der Diskriminierung von ethnischen Minderheiten in Japan. Diese Organisationen entstand als Bürgerbewegung Anfang der 70er Jahre.
Der Ursprung der Mintohren war ein Rechtsstreit zwischen Koreaner und er Firma Hitachi Anfang der 70er Jahre. Ein junger Koreaner absolvierte erfolgreich einen Aufnahmetest bei der Firma Hitachi, aber unter seinem japanischen Umgangsnamen Tsumei. Als die Firma bemerkte, daß er koreanischer Herkunft war, weigerte sie sich ihn anzustellen. Der Koreaner ging vor Gericht und gewann den Fall 1974.
4. Die rechtliche Stellung der Koreaner in Japan
Bis 1952 in San Francisco der amerikanisch-japanische Friedensvertrag abgeschlossen wurde, hatten all in Japan lebenden Koreaner nominell als japanische Staatsbürger gegolten. Sie verloren aber endgültig die Staatsbürgerschaft und wurden in Japan von jeglicher Kranken- und Rentenversicherung sowie Krediten durch japanische Banken ausgeschlossen. Sie mußten sich mit Ihren Fingerabdrücken durch die Alien Registration Card registrieren lassen und konnten bei Bedürftigkeit oder kriminellen Verhalten nach Korea deportiert werden.
1966 kam es zum Normalisierungsvertrag zwischen Japan und Südkorea, durch den alle in Japan lebenden Koreaner, die eher mit Südkorea sympatisierten eine Dauererlaubnis bekommen konnten. Bis 1971 hatten 250.00 Koreaner diese Erlaubnis beantragt.
1982 revidierte Japan seine Immigrationskontrollverordnung für dauerhaft ansässige Ausländer und schuf eine Dauerwohnerlaubnis für alle in Japan lebenden Koreaner, also auch solche, die sich zu Nordkorea hingezogen fühlten und Taiwanesen.
Es gibt viele Koreaner, die die japanische Staatsangehörigkeit angenommen haben. Dabei muß das japanische Justizministerium sein Einverständnis dazu geben, indem es feststellt, ob der Bewerber genügend japanisch geworden ist. Die Koreaner werden dann mit Ihrem japanischen Zweitnamen registriert.
Wie in Deutschland ist die japanische Staatsbürgerschaft an Blut und nicht an den Geburtsort gebunden. Erst seit 1985 erhalten Kinder aus Mischehen die Staatsbürgerschaft, wenn einer der beiden Elternteile Japaner ist und nicht nur ausschließlich durch den Vater wie bisher.
Zwischen 1952 und 1989 nahmen ungefähr 150.000 Koreaner die japanische Nationalität an.
5. Die soziale Situation
75 % der gegenwärtig in Japan lebenden Koreaner sind dort geboren und gehören der zweiten bis vierten Generation an.
Sie siedeln hauptsächlich in Großstädten in mehr oder weniger verslumten Wohngebieten, meist in unmittelbaren Nachbarschaft zu den Burakumin.Sie arbeiten oft als Handwerker oder Arbeiter oder in Dienstleistung und Handel. Im Vergnügungsgewerbe, wie z.B. Pachinko sind sie überproportional vertreten.
Bei der Berufswahl werden sie stärker diskriminiert als die Burakumin. Bei einer Umfrage gaben 60% an, daß sie auch Burakumin einstellen würden , doch nur 12 % hätten auch einen Koreaner eingestellt. Darüber hinaus ist einem Koreaner auch der Zugang zum Staatsdienst verwehrt.
Bildungsmäßig gibt es weniger Unterschiede. 98% besuchen die Oberschule, aber der Anteil derer, die einen Universitätsabschluß haben, ist verglichen mit den Japanern nur halb so hoch. Seit 1955 ist die Kriminalitätsrate unter den Koreanern ständig am Sinken, doch es werden immer noch 3% aller Delikte von ihnen begangen, gegenüber einem Bevölkerungsanteil von 0,58 %.
Seit 1965 gibt es mehr Mischehen als rein koreanische Ehen. Nach Zahlen von 1991 sind 82% der Ehen inzwischen gemischt koreanisch-japanisch. Viele Ehen könnten aber mit Burakumin geschehen, oder zwischen Japanern und in Korea geborenen Süd- oder Nordkoreanern, die nicht gesondert in der Statistik aufgeführt werden. In den letzten Jahren gab es sogar einen Trend von japanischen Männern zu Ehen mit Koreanerinnen, die in Korea geboren wurden, da viele Japaner Schwierigkeiten haben, Partner unter den jungen Japanerinnen zu finden.
Die Soren- und Minananhänger leben nach verschiedenen Lebensmuster. Die Sorenanhänger besuchen zu 25% ihr eigenes, von Nordkorea unterstütztes Schulsystem. Die Absolventen sind auf das japanische Alltagsleben schlecht vorbereitet und finden oft in Soren-Organisationen eine Anstellung.
Sie haben meist eine positivere Selbsteinstellung ein "proletarisches Bewußtsein" und eine große kulturelle Identität.Die anderen Koreaner sind meist sozio-ökonomisch besser situiert und leben bis auf Essgewohnheiten fast völlig nach japanischem Muster. Es gibt zwar auch ein Schulsystem der Mindan aber nur 2 % besuchen dies. Dagegen besuchen nach einer Untersuchung aus dem Jahre 1985 ca. 85% der in Japan lebenden Koreaner eine reguläre japanische Schule.
6. Die Sprache
Da die meisten Koreaner, die in Japan leben noch nie Korea waren und eine normale Schule besuchen, sind Ihre Kenntnisse der Muttersprache Ihrer Ahnen eher gering.
Bei einer Umfrage unter jungen Koreanern, die sich eher zu Südkorea hingezogen fühlen, gaben 1993 nur knapp 9% an, daß sie fließend Koreanisch sprechen könnten. Hätte man bei dieser Befragung auch junge Nordkoreaner einbezogen, so hätte sich dieser Prozentsatz erhöht, da eine große Anzahl von ihnen eine koreanische Schule besucht.
Es soll hier erwähnt sein, daß äußerst selten das Problem von Koreanern im Japan an japanischen Schulen behandelt wird. Viele junge Japaner haben deshalb kein Interesse an diesem Thema. 1992 führte ein japanischer Professor eine kleine Umfrage unter seinen Studenten durch und befragte sie wie sie sich verhalten würden, falls Koreaner in dem Raum anwesend wären. Viele antworteten, daß sie sich anstrengen würden mit ihnen Freundschaft zu schließen, falls sie japanisch sprechen könnten.
7. Der japanische Name
Viele Japaner sagen, daß sie noch nie einen Koreaner getroffen hätten, obwohl diese in enger Nachbarschaft zu den Japanern leben, sind sie oftmals unsichtbar für sie. Ein Grund ist, daß es kaum irgendwelche äußerlichen Unterschiede zwischen Japanern und Koreanern in Japan gibt. Der Hauptgrund ist aber, daß die meisten Koreaner im Alltag ihren japanischen Namen statt ihrem koreanischen benutzen.
Man kann diese Entwicklung in drei Schritte unterteilen: Der erste Schritt war der Zwang während der japanischen Kolonialzeit einen japanischen Namen anzunehmen. Der zweite Schritt bestand daraus, daß Koreaner freiwillig den japanischen Namen benutzten, um einer Diskriminierung durch die Japaner zu umgehen. Heute lebende junge Koreaner benutzen aber hauptsächlich Ihren japanischen Namen weil sie eher an ihn gewohnt sind als an den koreanischen Namen.
8. Schlußbemerkung
Eine überwältigende Mehrheit der Koreaner in Japan betrachtet Japan als Heimat und das Land, in dem weiterhin leben möchten. Es gibt für diese Minderheit in Japan mehrere Lebensstrategien für die Zukunft. Eine Möglichkeit ist, daß sie sich total assimilieren, die japanische Staatsbürgerschaft annehmen, ihren koreanischen Namen ablegen und ihre Herkunft verleugnen. Das Problem wäre natürlich, daß keine positive Beziehung zwischen der japanischen Mehrheit und der koreanischen Minderheit aufgebaut werden würde. Darüber hinaus würde es wie bei den Burakumin zu einem endlosen Versuch kommen, die ethnische Herkunft zu verbergen. Eine Alternative dazu wäre, den Kontakt mit den Japanern aufs Notwendigste zu beschränken, in Enklaven zu leben, und eine Rückkehr in ein geeintes Korea, wie es wohl vielen Soren-Anhängern vorschwebt, vorzubereiten.
Da aber absolute Segregation von der Mehrheit praktisch undurchführbar ist, wäre es meiner Ansicht nach am besten für Koreaner und Japaner, gute Beziehungen, basierend auf gegenseitigem Verständnis und Kooperation zu entwickeln und eine wahrhaft pluralistische Gesellschaft, in der Minderheiten assimiliert werden, ohne daß die kulturelle Verschiedenartigkeit unterdrückt wird, aufzubauen.